Kataloge in der Astronomie
Bei der Beschäftigung mit astronomischen Objekten kommt man unweigerlich in Kontakt mit sogenannten Katalogbezeichnungen wie Messier 1, NGC 1952, SH2-244 oder LBN 833. In diesem Fall bezeichnen alle Nummern das gleiche Objekt, den Krebsnebel im Sternbild Stier.
Doch wieso gibt es überhaupt verschiedene Kataloge und wie sind diese entstanden?
Ich versuche einmal einen sehr groben Überblick der Entstehungsgeschichten der üblichsten Kataloge für Deep-Sky Objekte zusammenzutragen. Selbstverständlich erhebt diese kurze Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zumal Sternkataloge gar nicht berücksichtigt werden. Für eine umfassendere Aufstellung verweise ich auf die Liste astronomischer Kataloge bei Wikipedia..
Der Messier Katalog
Der vermutlich bekannteste Katalog in der Astronomie wurde bereits im 18. Jahrhundert von dem französischen Astronom Charles Messier zusammengestellt. Dabei ging es ihm gar nicht darum, interessante Dinge im Himmel zu dokumentieren, sondern als passionierter "Kometenjäger" wollte er im Teleskop ähnlich erscheinende, jedoch ortsfeste Objekte notieren, um bei zukünftigen Beobachtungen keine Beobachtungszeit an diese zu verschwenden. Mit den damals verfügbaren Teleskopen war es noch nicht möglich, diese "nebeligen Objekte" näher zu klassifizieren.
Neben eigenen Entdeckungen fügte Charles Messier aber auch von anderen Astronomen gefundene Objekte seinem Katalog hinzu. Messier's letzte, in 1784 veröffentliche, dritte Fassung enthielt 103 Objekte. Später wurden von Historikern noch 7 Objekte hinzugefügt, die vermutlich in eine vierte Auflage einfließen sollten.
Eine Übersicht aller 110 Objekte habe ich in meinem Normalisierten Messier Katalog zusammengestellt.
Der Messier Katalog ist auch heute noch sehr relevant, da er vorwiegend helle Objekte enthält, welche auch mit kleinen Teleskopen entdeckt und zumindest visuell gut beobachtet werden können. Allerdings sind einige davon, wie zum Beispiel viele Galaxien, recht klein und benötigen eine entsprechend größere Brennweite.
Die Familie Herschel
Wilhelm Herschel, seine Schwester Caroline Herschel und später sein Sohn John Herschel waren passionierte Astronomen und legten mit ihren, heute weniger relevanten, Objektsammlungen die Grundlagen des heutigen NGC Katalogs.
Eine der größten Entdeckungen von Wilhelm Herschel ist vermutlich der Planet Uranus im Jahr 1781 sowie das zugehörige Ringsystem in 1797. Dazu entdeckte er noch einige Monde von Uranus und Saturn und versuchte einen Zusammenhang zwischen Sonnenfleckenaktivität und dem terrestrischen Wetter herzuleiten.
Nach dem Studium von Messier's Katalog fand er Interesse an diesen nebeligen Objekten und mit seinen selbst konstruierten, leistungsfähigen Teleskopen gelang es ihm dann auch, einige davon zu Sternen aufzulösen. Das bestätigte die vorherige Vermutung, dass es sich dabei um Sternhaufen handeln könnte. Galaxien und helle Nebel konnte aber auch er noch nicht sicher klassifizieren.
Bei seiner eigenen Suche nach weiteren solcher Objekte entstand ein Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars mit rund 2500 Einträgen im Jahr 1802.
Sein Sohn John Herschel führte die Arbeit des Vaters fort und entdeckte unter anderem, dass die Magellanschen Wolken tatsächlich eine Ansammlung von unzählbaren Sternen ist. Neben zwei kleineren astronomischen Katalogen, die er an seinen Wohnorten erstellte (Slough Katalog 1833, Cape Katalog 1847), veröffentlichte er im Jahr 1864 den General Catalogue of Nebulae and Clusters mit über 5000 Einträgen, die Basis des späteren New General Catalogue.
New General Catalogue und Index Catalogue
Der dänische Astronom Johan Ludvig Emil Dreyer beschäftigte sich aus eigenem Interesse schon einige Jahre mit diesen nebeligen Objekten, bis er schließlich seine eigenen Entdeckungen mit Katalogen und Sammlungen anderer Astronomen vereinte und im Jahr 1888 als New General Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars veröffentlichte.
Mit 7840 Einträgen ist dieser Katalog noch heute ein wichtiges Standardwerk und mit dem Präfix NGC allgegenwärtig. Im direkten Vergleich zu Messier's Katalog enthält der NGC in großer Anzahl sehr kleine Objekte, vorwiegend entfernte Galaxien, welche einhundert Jahre zuvor noch nicht entdeckt werden konnten.
Nach Veröffentlichung des NGC stellte Johan Dreyer noch zwei Kataloge mit insgesamt über 5000 weiteren Objekten zusammen und nannte sie schlicht Index Catalogue. Deren Einträge haben das Präfix IC.
Barnard's Katalog
Um 1900 untersuchte der US-amerikanische Astronom Edward Emerson Barnard Bereiche nicht leuchtender Materie in der Milchstraße durch fotografische Verfahren. In dem Barnard Katalog sind insgesamt 349 Dunkelnebel verzeichnet. Die meisten dieser Staubansammlungen befinden sich vor Sternenhintergrund, manche liegen aber auch vor helleren Emissionsnebeln, wie der hier gezeigte charakteristische Pferdekopfnebel B33 im Sternbild Orion.
Himmelsdurchmusterungen
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde damit begonnen, den Nachthimmel systematisch visuell zu durchmustern. Während der Bonner Durchmusterung wurden im Laufe von 17 Jahren über 300.000 Sterne des nördlichen Himmels vermessen, kartografiert und schließlich in 1863 veröffentlicht. Die Córdoba Durchmusterung kartografierte in den Jahren 1892 bis 1914 knapp 600.000 Sterne des südlichen Himmels. Vor der Leistung dieser rein visuellen Katalogisierung muss man einfach Respekt haben.
Mit dem Aufkommen der Fotografie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, der Möglichkeit Teleskope mechanisch nachzuführen und somit die Erdrotation zu kompensieren, entstanden auch die ersten Aufnahmen astronomischer Objekte. In 1880 gelang Henry Draper die erste fotografische Abbildung des Orion Nebels.
Tatsächlich wurde erst in den Jahren 1948 bis 1956 eine großflächige Durchmusterung durch das Palomar Observatorium auf Fotoplatten durchgeführt (POSS-I). Dabei wurde jeder Ausschnitt zweimal belichtet, und zwar sowohl im roten als auch blauen Lichtspektrum, wodurch Rückschlüsse auf die spektrale Verteilung möglich waren. In den 1980er Jahren wurde mit POSS-II diese Durchmusterung mit einem besseren Teleskop wiederholt und dabei zusätzlich auch in Infrarot belichtet.
In den 1990er Jahren wurden die Fotoplatten schließlich digitalisiert. Sie werden vom Space Telescope Science Institute online über das Portal The STScI Digitized Sky Survey zur Verfügung gestellt. Die Aufnahme über diesem Textabschnitt stammt aus der zweiten Durchmusterung (POSS-II), entsprechend liegt das Copyright für diese Aufnahme bei MAST.
Während die fotografische Durchmusterung nicht direkt einen Katalog darstellt, so basieren einige der heute genutzten Kataloge tatsächlich auf den Aufnahmen der POSS-I.
Sharpless Kataloge
Basierend auf der ersten Palomar Observatory Sky Survey (POSS-I) erstellte der amerikanische Astronom Stewart Sharpless im Jahr 1953 einen ersten Katalog mit Objekten, bei denen er H-Alpha Emissionen vermutete. Sein erster Katalog mit dem Präfix SH1 basierte noch auf den Koordinaten der Bonner und Córdobaer Durchmusterungen und die bezogen sich auf die Epoche 1855.
In der 312 Objekte umfassenden zweiten Ausgabe seines Sharpless Katalogs von 1959 mit dem Präfix SH2 wurde dann das Koordinatensystem der Epoche 1900 zugrunde gelegt.
Das Bild oben zeigt den Kaulquappennebel SH2-236 auf der linken Seite und ein ausgedehntes H-Alpha Gebiet mit Namen SH2-230 daneben.
Lynds' Catalogues of Dark/Bright Nebulae
Ebenfalls basierend auf den Platten des Palomar Observatoriums erstellte die US-amerikanische Astronomin Beverly Lynds (leider gibt es keine Biographie auf Wikipedia) um 1960 zwei Kataloge mit hellen und dunklen Nebeln. Die Klassifizierung nach "hell" und "dunkel" ist jedoch etwas anders, als man vermuten würde.
So finden sich in Lynds' Catalogue of Dark Nebulae (LDN) solche Bereiche, welche Objekte im Hintergrund überdecken, wie beispielsweise der bräunliche Bereich im Bild oben, genannt LDN 1295. Ein anderes Beispiel wäre LDN 1064 im Bild vom Palomar Observatorium darüber.
In Lynds' Catalogue of Bright Nebulae (LBN) finden sich hingegen solche Objekte, welche heller als der Hintergrund erscheinen. Hell ist dabei ein recht dehnbarer Begriff und reicht vom selbst mit kleinen Teleskopen visuell beobachtbaren Orion Emissions-Nebel LBN 974 bis hin zu sehr schwachen Staubregionen, welche nur vom Gesamtlicht der Milchstraße beleuchtet werden, dem Integrated Flux Nebula, wie beispielsweise LBN 691.
Van den Bergh Catalogue
Auch der in den Niederlanden geborene kanadische Astronom Sidney van den Bergh verwendete die Platten der Palomar Observatory Sky Survey (POSS-I), um einen Katalog von Reflexionsnebeln zu erstellen, welcher 1966 veröffentlicht wurde und 159 Objekte enthält. Das Bild oben zeigt VdB 139, einen Ausschnitt des Iris Nebels. Im Titelbild zu Barnard's Katalog ist auf der linken Seite übrigens noch VdB 51 zu sehen.
Abell Katalog
Mit einer Lupe durchsuchte der US-amerikanische Astronom George Ogden Abell die roten Platten der POSS-I Durchmusterung nach Galaxienhaufen. Seine erste Ausgabe des Abell catalog of rich clusters of galaxies enthielt rund 2700 solcher Gruppen, mit jeweils mindestens 50 Galaxien. In 1989 wurde der Katalog mit Gruppen der südlichen Hemisphere ergänzt und enthält nun über 4000 Einträge.
Das Bild zeigt Abell 1656, den Coma Galaxienhaufen.im Sternbild Haar der Berenike, der aus über 1000 Galaxien besteht. Die meisten Punkte in dem Bild sind dann auch Galaxien und keine Sterne.
Caldwell Katalog
Speziell für die Beobachtung mit Amateur-Teleskopen stellte der englische Astronom Sir Patrick Caldwell-Moore einen eigenen Beobachtungs-Katalog zusammen. Der Caldwell Katalog enthält keine neuen Objekte, sondern dient mit seinen 109 Einträgen eher als Wegweiser zu interessanten Beobachtungsobjekten. Mit einer Veröffentlichung in 1995 ist dies auch einer der jüngsten Kataloge von Deep Sky Objekten.
Das Bild zeigt C34, den westlichen Teil des Cirrus bzw. Schleier Nebels, Überrest einer Supernova.